Träume, die reifen
Alicja Pyrdol, Viola
Jubiläumskonzerte 2024/
10 Jahre Feeling blue & white
Toivo Kuula (1883-1918)
Scherzino, Arrangement für Viola solo (aus Fünf Stücke für Violine und Klavier, op. 3a, 1905)
J. S. Bach (1685-1750)
Suite Nr. 4 Es-Dur, Arrangement für Viola solo (Sechs Sonaten für Violoncello solo)
Kalevi Aho (*1949)
Solo Nr. 12 für Viola solo – in memoriam EJR (2016)
Cecilia Damström (*1988)
Sydänlaulu für Viola solo (2014, "Lied des Herzens")
Andrzej Ojczenasz (*1992)
Vespers für Viola solo (2022)
Kaija Saariaho (1952-2023)
Leino Lieder, Arrangements für Viola solo (aus Leino Songs for soprano and piano, 2007)
Rauha (Frieden)
Sua katselen (Ich schau' dich an)
Sydän (Herz)
Konzertdauer ca. 60 Minuten, ohne Pause
Gedenkstätte für Flüchtlinge Riehen
August 2024
„Träume, die reifen“ eröffnet die Jubiläumsreihe der in der Region Basel ansässigen Konzertgesellschaft für finnische Musik. Seit ihrer Gründung 2014 haben etliche Träume der Initianten dieser Kulturveranstaltung auf diesem Wirkungsfeld gediehen. Die Jubiläumsreihe ist eine kammermusikalische Reise in den Norden, in die unberührte Natur, in das Land der Mitternachtssonne und der Polarlichter. Die Konzertgäste werden hochstehende Musikkultur aus dem Land der tausend Seen erleben, die ihnen von ausgewählten Künstlern dargeboten wird. Das Podium wird dabei von diversen Besetzungen betreten: von einer jungen Soloperformerin, von einem Duo, das sich der Neuen Musik verschrieben hat, von einem Streich-quartett mit viel Elan und von einem renommierten Kammerorchester.
Dem Leitbild treu, sind die Feeling-Auftritte eine Plattform für hiesige Musiker, sich mit der Musik von finnischen Komponisten auseinanderzusetzen. Regelmässig wird die Bühne dem musikalischen Nachwuchs zur Verfügung gestellt. Hier knüpft das Soloprogramm von Alicja Pyrdol an: Das Eröffnungskonzert trägt die Handschrift der jungen finnisch-polnischen Bratschistin. Ihre „Träume, die reifen“ ist eine Performance, die einerseits die stilistische Vielfalt der Viola gekonnt in den Mittelpunkt stellt, andererseits ist sie eine gefühlvolle Vorführung der Klangpalette eines Instruments.
In ihrer Werkauswahl aus dem „Fundus“ an finnische Kompositionen entschied sich Alicja Pyrdol zunächst für Komponistinnen, die gesellschaftliche Themen in ihrer Arbeit aufgegriffen haben: Kaija Saariaho und Cecilia Damström. Pyrdol umrahmt sie kontrastreich mit Musik von Komponisten, die ihre Karrieren als Geiger begannen: Toivo Kuula und Kalevi Aho. Beide haben sich von der nuancereichen Klangwelt der Streichinstrumente inspirieren lassen. In diese Tonkulisse setzt sie die Solosonaten von J. S. Bach und Vespers für Viola solo des jungen polnischen Komponisten, Andrzej Ojczenasz (*1992) – und lässt ihre persönlichen Träume darin reifen.
Toivo Kuula hinterliess leider nur sogenannte Jugendwerke: Er verlor sein Leben sehr früh, mit 34 Jahren, im finnischen Bürgerkrieg. „Der tragische Romantiker der finnischen Musik“ wird der Komponist wehmütig tituliert. Kuula stammte aus Südösterbotten, einer Region mit langer Volksmusiktradition. Ihm gefiel die Klangästhetik, vor allem beseelten ihn die Volkstänze. Mit grosser Hingabe sammelte er Instrumental- und Vokalmusik seiner Heimatregion und verwendete deren Melodien und Motive oft in seinen Kompositionen. Das temperamentvolle Scherzino (aus Fünf Stücken für Violine und Klavier, op. 3a, 1905) erzählt von Kuula’s Leidenschaft für die traditionelle Volksmusik Finnlands.
Kalevi Aho schrieb das Solo XII – in memoriam EJR für Viola als Gedenkstück für seinen verstorbenen Lehrer, dem Komponisten Einojuhani Rautavaara („EJR“, 1928-2016). Das Stück gehört zu einem sehr umfangreichen Zyklus von Werken für Soloinstrumente. Aho komponiert diese seit 1975, bislang sind es bereits 18, alle schlicht mit „Solo“ betitelt (Solo I – Solo XVlll). Die ambitionierte Versammlung zeugt von der Vielfältigkeit des Schaffens von Aho, der mit seinen 18 Sinfonien und beinah 40 Instrumentalkonzerten einer der bemerkenswerten Komponisten unserer Zeit ist. Die Soloserie beinhaltet 18 sehr unterschiedliche Stücke; sie fokussieren sich auf den natürlichen Klang des jeweiligen Instruments. Was sie alle verbindet, ist der Anspruch auf solistische Virtuosität. Aho’s Solostücke verlangen technisches Beherrschen eines Instruments und tiefes musikalisches Verständnis.
"Sydänlaulu (2014) means ”Song of the heart” in Finnish and that is exactly what the piece is, a song from the heart and about the heart. In December 2013 I had for the first time severe heart pain and arrhythmia after a few too many sleep deprived nights and too much stress. Having for the first time severe pain in combination with fever made me very worried about my health; I didn’t want to die from a stroke at the age of 25. During my moments of fear and listening to the arrhythmia of my heart I also noticed how much dreams, hopes and emotions are linked to the heart and how all of these hopes and dreams will never come true in case the heart will stop to beat once and for all. This piece contains arrhythmia, crawling bacteria in the body and blood stream, small passages of fear and of sorrow over heart illness, and also inner dreams that you seem to yearn for even more, and the hope that they won’t be taken away from you together with your heartbeat." Cecilia Damström
Komponistin und Aktivistin sei sie, Cecilia Damström, die viel beachtete Vertreterin der jungen Komponistengeneration Finnlands. Damström, die auch über eine Ausbildung als Pianistin verfügt, studierte Komposition in Finnland und Schweden. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie kontinuierlich an Kompositions-aufträgen für Festivals und Ensembles und darf dabei internationale Erfolge verzeichnen. In ihrem Kompositionsstil ist ihre Bewunderung für Theaterkunst und (Fremd) Sprachen zu erkennen: Damström schafft Musik, die ausdrucksstark ist und sowohl szenische als auch sprachliche Elemente beinhaltet.
Kaija Saariaho, Grande Dame der Komponierkunst, war in mehreren Jahren hintereinander die am häufigsten aufgeführte zeitgenössische Komponistin (gem. Bachtrack Statistik). Ihr pionierhafter Stil wirkte stets erfrischend modern. Einerseits ist sie ihren Idolen der französischen Spektralmusik der 1980er Jahre treu geblieben - Saariaho selber lebte über 40 Jahren in Paris - andererseits hat sie ihre eigenen, unverkennbaren Klanglandschaften geschaffen. Ihre Begabung mit sinnbildlichen und visuellen Komponenten sowie mit synthetischer Klangerzeugung fantasievoll und "natürlich" zu arbeiten, ist eine Inspiration für Künstler aller Gattungen.
„Leino Lieder für Sopran und Klavier“ beinhalten vier Gedichte von Eino Leino (1878–1926), einem der herausragendsten Dichter Finnlands. Den Kompositionsauftrag erhielt sie von der Koloratursopranistin Anu Komsi, die sich neue (moderne) Vertonungen von Leino’s Lyrik wünschte. Neben Saariaho beauftragte sie sechs weitere Komponisten mit der kulturhistorisch wertvollen Aufgabe. Saariaho wählte Texte aus drei Gedichtsammlungen aus und komponierte sie während mehreren Jahren. Demzufolge variieren sie sich sehr voneinander und bilden einen charaktervollen Liederzyklus. Alicja Pyrdol hat für dieses Konzert drei von den Liedern für Viola bearbeitet.
Alicja Pyrdol
Die Bratschistin Alicja Pyrdol absolviert derzeit ihr Doktoratsstudium im Bereich Musikpädagogik an der Musikhochschule Lübeck. Sie hat Viola an diversen europäischen Musikhochschulen studiert, in Finnland, Deutschland (Hamburg) und der Schweiz (Zürich). Ihre Studien haben sie regelmässig auch nach Moskau gebracht. Sie verfolgt eine aktive Konzertkarriere als Kammermusikerin und Solistin.